Fischtreppe Kraftwerk Reichenau
Im April 2000 wurde die Fischpassanlage beim Kraftwerk Reichenau in Betrieb genommen. Nach einem Unterbruch von 38 Jahren können die Seeforellen wieder vom Bodensee zu ihren Laichplätzen im Vorder- und Hinterrhein aufsteigen.
Anfangs der 80er Jahre wäre die Seeforelle im Bodensee fast ausgestorben. In der Folge wurden als Massnahme zur Erhaltung der Art die Einführung von Fangbeschränkungen für die Bodenseefischerei, der Aufbau eines umfassenden Nachzuchtprogramms sowie die Beseitigung der Wanderhindernisse in den Zuflüssen beschlossen.
12 Meter Höhendifferenz zu überwinden
Ein solches Wanderhindernis, das behoben wurde, war die Staumauer des Kraftwerks Reichenau. Die im April 2000 eröffnete Aufstieghilfe überwindet insgesamt stolze 12 Meter Höhendifferenz. Sie besteht aus 56 Becken mit einer Länge von je 3 m und einer Breite von 2.1 m. Zusätzlich sind drei Ruhebecken mit einer Länge von 6 m eingebaut. Im untersten Abschnitt wird Dotierwasser zugeleitet, so dass beim Einstieg des Fischpasses eine optimale Lockwasserwirkung erzielt werden kann.
Damit die Seeforellen, die nach dem Ablaichen wieder in den Bodensee zurückkehren, nicht in den Oberwasserkanal gelangen, wurde eine grosse Rechenanlage installiert. Damit wird verhindert, dass grosse Fische in die Turbinen gelangen. Die jungen Seeforellen, die im Alter von 1 bis 2 Jahren von den Laichplätzen ebenfalls in den Bodensee abwandern, können die langsam drehenden Turbinen unbeschadet passieren.
Die Auswertung der Reusenfänge 2003 zeigt eindrücklich, dass der Fischaufstieg funktioniert und zahlreiche See- und Bachforellen die Fischtreppe passiert haben. Die Grösse der Seeforellen ist beeindruckend. Der grösste bisher im Fischpass gefangene Fisch erreichte eine Länge von knapp 93 cm und ein Gewicht von 12.4 kg.
Rettung in letzter Minute
1983 konnten in letzter Minute noch 5 Laichfische gefangen werden, um aus deren Laichprodukten den Aufbau eines autochthonen Elterntierstammes in die Wege zu leiten. 2001, also 19 Jahre später, wurden bei der Fischpassanlage Reichenau 921 Tiere gezählt. In den zwei folgenden Jahren hatten zwei ausserordentliche Ereignisse, wie das Hochwasser im November 2002 und der sehr trockene Sommer 2003 geringere Zahlen zur Folge. Aber auch schwimmschwache, bodenorientierte Fische und auch Benthosorganismen (v.a. Insektenlarven) nutzen den Fischpass zur flussaufwärtsgerichteten Ausbreitung oder gar als Lebensraum.
Dank Radiotelemetrie konnte nachgewiesen werden, dass 84% der Seeforellen in den Vorderrhein aufsteigen. Die grösste zurückgelegte Strecke war 35.6 km, d.h. die Seeforelle erreichte die Schonstrecke Tavanasa. Verglichen mit dem ursprünglichen Verbreitungsgebiet bleibt nach oben ungefähr noch eine Strecke von 20 km zu besiedeln, d.h. noch bis Disentis. In den Hinterrhein wanderten die Seeforelle bis maximum 19.4 km.
Fischabstieg unbelöst
Mit der Fischtreppe in Reichenau wurde ein wichtiges Problem mit Wanderfischen gelöst, nämlich die aufwärtsgerichteten wanderungen. Ungelöst bleibt die Abwanderung. Der Einsatz von Radiotelemetrie hat gezeigt, dass nur gerade 18% der aufgewanderten Seeforellen wieder in den Bodensee zurückwandern. Für 45% der Fische war die Passage durch die Kraftwerksanlage nicht mehr möglich. Sie starben im Stausee Reichenu oder nach der Passage durch die Kraftwerksanlagen. Eine Rückwanderungsquote von 18% wird als gering eingeschätzt. Es muss nach Lösungen gesucht werden, wie die Abstiegsmöglichkeiten an den Kraftwerksanlagen verbessert werden können.