Einblick in die Fischzucht am Bodensee
Eine WWF-Exkursion zur Fischzuchtanlage Rorschach gewährte am 3. April Interessierten Einblick in die Fischzucht am Bodensee. Hans-Rudolf Wasern, Leiter der Fischzuchtgenossenschaft Rorschach, führte durch die Brüterei, wo unter anderem Seeforellen, Bachforellen, Felchen, Hechte und die bedrohten Nasen nachgezogen werden.
Die winzigen Brütlinge leben in natürlichem Seewasser und werden möglichst früh in die Natur entlassen. Das sei wichtig, erklärt Fischzuchtleiter Hans-Rudolf Wasern auf dem Rundgang durch die Anlage, damit die Fische früh lernen, sich in ihrem natürlichen Lebensraum zurecht zu finden. Auch die Zusammensetzung des Wassers kann für einige Fische prägend sein. Unsere Seeforellen zum Beispiel können ihr Heimatgewässer ebenso wie Lachse „schmecken“. Einige, erzählt Hans-Rudolf Wasern, kehren deshalb später sogar wieder exakt zur Fischzuchtanlage zurück.
Mit viel Hintergrundwissen bringt der Fischzuchtleiter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch die aktuellen Fragen um Fischzucht und Naturschutz näher. Die Fischzucht, so erläutert Hans-Rudolf Wasern, hilft mit, die Bestände bedrohter Arten zu erhalten. Es geht also nicht einfach darum, der Berufs- und Sportfischerei gute Fangergebnisse zu bescheren. Entsprechend werden die Fische nicht auf besondere Grösse selektioniert, sondern in möglichst grosser genetischer Vielfalt nachgezogen. „Man kommt zunehmend vom Erntegedanken weg“, meint Wasern. Trotzdem sähe er es gerne, wenn die Berufsfischerei wirtschaftlich besser tragbar wäre. Die einheimische Fischerei wäre eine Alternative zur zunehmenden Plünderung der Fischbestände im Meer.
Weniger Nährstoffeintrag
Eine der grössten Bedrohungsursachen für die Bodensee-Fische hat man heute weitgehend in den Griff bekommen: Der Phosphatgehalt der Abwässer, der vor einigen Jahren für übertriebene Planktonblüten im See verantwortlich war, hat dank Phosphatverbot bei Waschmitteln deutlich abgenommen. Die Planktonüberschüsse, welche abgestorben zu Boden sanken und dort Sauerstoff zehrten, töteten vor allem viele Felcheneier am Seegrund ab. Verschiedene Plankton fressende Kleinfische hatten andererseits vom überreichlichen Nahrungsangebot profitiert und so stark zugenommen, dass auch die Fangergebnisse für diese Arten deutlich angestiegen waren.
Mit dem Rückgang der Ueberdüngung sind nun auch diejenigen Fische wieder etwas zurückgegangen, denen solche Bedingungen besonders zusagten. Dafür wurden diese Fische vitaler und gesünder. „Sie müssen wieder schwimmen, um Futter zu finden“, sagt Hans-Rudolf Wasern. Das merke man auch an der Qualität ihres Fleisches, das zuvor manchmal regelrecht „gestunken“ habe. Zudem sind Ausbrüche von Krankheiten weniger wahrscheinlich, die plötzliche massive Bestandeseinbrüche verursachen können, wie dies beim Egli überraschend aufgetreten ist.
Viele Gefährdungsursachen
Eine Vielzahl weiterer Gefahren setzt heute den Fischen so zu, dass man sich weiterhin nicht auf die Naturbrut verlassen kann. Die Seeforelle und die Nase etwa leiden unter Wanderhindernissen und unter schlechter Wasserqualität in den Flüssen. Erst seit in Domat/Ems Fischtreppen vorhanden sind, geht es der Seeforelle etwas besser, die zum Laichen weit in die Berge hinauf wandert. Unter der Gewässererwärmung wiederum leiden Bachforellen und Aeschen. Schon ein Grad Unterschied in der Temperatur macht für Fische sehr viel aus, warnt Hans-Rudolf Wasern. Hafenverbauungen und Uferbefestigungen, an welchen sich die Wellen schlagen und das Wasser zu kräftig aufwirbeln, setzen Kleinfischen zu, die im Uferbereich laichen.
„Ein Riesenproblem“, sagt Hans-Rudolf Wasern, „sind all die exotischen Tierarten, die im See ausgesetzt werden“. Von der Schnappschildkröte bis zum Stör hat man schon alles mögliche im See gefunden. Vermutlich waren es Aquarianer, die einst den Stichling im Bodensee ausgesetzt haben. Heute tummeln sich Abermillionen von Stichlingen im See und fressen regelmässig den Laich der anderen Fische im Uferbereich weg. Auch durch die Uebertragung von Krankheiten können fremdländische Fische oder Krebstiere im See katastrophale Schäden verursachen, erklärt Wasern. Er weist mit Nachdruck jede Schulklasse auf das Problem hin, glaubt aber trotzdem, dass sich die Situation eher noch verschlimmert.
Verschmutzung mit unklaren Folgen
Zum Abschluss der sehr informativen Exkursion steht Michael Eugster, Fachverantwortlicher für Oberflächengewässer des Amtes für Umweltschutz St. Gallen, Red und Antwort für Fragen um den Zustand unserer Gewässer. Dabei wird im Publikum ein Problem angesprochen, das allmählich ins öffentliche Bewusstsein rückt: Abwasserreinigungsanlagen fangen praktisch nur organische Schmutzstoffe auf, die durch Bakterien in der Anlage abgebaut werden. In den letzten Jahren und Jahrzehnten tauchten aber immer wieder neue Stoffe auf, die das Abwassersystem nicht oder kaum zurückhalten kann.
Von einigen, Antibiotika und hormonähnlichen Substanzen etwa, kennt man die Wirkung auf Wasserlebewesen, von anderen aber nicht. Dabei geht es teils um geringste Konzentrationen: Pestizide zum Beispiel wirken schon im Milliardstelbereich pro Liter schädlich. Laut Eugster ist es problematisch, dass die Politik für Verbote ganz klare Aussagen über die Schädlichkeit einer Substanz fordert. „Mit Beweisen geht es nicht so schnell, und in der Zwischenzeit sind schon wieder hundert neue Substanzen da“, meint Eugster. „Die Bedrohung ist nicht akut, sollte aber auch nicht verharmlost werden“.